Der Traum der Hallenradsportler von Olympia

Benedikt und André Bugner (von links) vom RSV Klein-Winternheim sind in jungem Alter schon eines der erfolgreichsten Duos der Welt.Archivfoto: Michael Thomé  Foto:
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Die deutschen Hallenradsportler sind mit Abstand die besten der Welt. Um sich ihren größten Traum zu erfüllen, müssen sie dies aber ändern.

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MAINZ. Benedikt Bugner ist mit gerade einmal 21 Jahren schon einer der erfolgreichsten Sportler der Welt. Viermal ist er bereits Weltmeister geworden. Den Weltrekord hat er inne. Und doch kennt ihn außerhalb Rheinhessens mit seiner Heimatgemeinde Klein-Winternheim kaum jemand. Denn Benedikt Bugner (im Bild links) gehört zu den vielen Athleten in Deutschland, die eine sogenannte Randsportart ausführen. Mit seinem zwei Jahre älteren Bruder André bildet er ein Kunstrad-Duo der Extra-Klasse. Die beiden faszinieren das Publikum, wenn sie einen Menschenturm bauen und dann nur auf dem Hinterrad rückwärts fahren. Oder während der Fahrt vom Sattel auf den Lenker springen. Und doch ist ihre Karriere unvollendet. Denn ihren größten sportlichen Traum werden sich die Brüder nicht erfüllen können. Benedikt Bugner beschrieb ihn neulich in einem persönlichen Fragebogen, in dem er angeben sollte, was er gerne einmal über sich in der Zeitung lesen würde. „Die Kunstradfahrer André und Benedikt Bugner nehmen an den Olympischen Spielen teil“, antwortete er. An der Aufnahme ins olympische Programm arbeiten die Hallenradsportler, zu denen neben den Kunstradfahrern auch die Radballer gehören. André und Benedikt Bugner werden es in ihrer aktiven Laufbahn indes nicht mehr erleben.

Benedikt und André Bugner (von links) vom RSV Klein-Winternheim sind in jungem Alter schon eines der erfolgreichsten Duos der Welt.Archivfoto: Michael Thomé  Foto:
Bundestrainer Dieter Maute hofft, noch mehr als die bisherigen 20 bis 25 Länder für Kunstradsport zu begeistern.   Foto:

Bei der WM hat das deutsche Team Chancen auf die perfekte Ausbeute

Und doch genießen sie emotionale Höhepunkte, fahren in großen Hallen vor vielen Zuschauern. Vor einem Jahr holten die Bugner-Brüder den WM-Sieg vor 6000 Besuchern in der ausverkauften Stuttgarter Porsche-Arena. Am Freitag beginnen die nächsten Hallenrad-Welttitelkämpfe im österreichischen Dornbirn. In fünf Disziplinen messen dabei die Kunstradfahrer ihr Können. Die deutsche Mannschaft hat neun Startplätze. Und wieder einmal gute Chancen auf die perfekte Ausbeute von fünf Gold- und vier Silbermedaillen. Verhindern können dies wahrscheinlich nur die Starter aus Österreich und der Schweiz, die sich zumindest in einzelnen Disziplinen mit den deutschen Fahrern auf Augenhöhe bewegen. Nur im Radball warten die Deutschen seit 2010 auf den Titel.

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Auf dem Kunstrad sind sie aber allen anderen Nationen weit enteilt. Und das stellt für die Erfüllung des Olympia-Traums eine der größten Hürden dar. Der Hallenradsport braucht mehr Teilnehmerländer und vor allem mehr nichtdeutsche Aktive auf höchstem Niveau, um ernsthaft beim Internationalen Olympischen Komitee anklopfen zu können. Kunstrad-Bundestrainer Dieter Maute zeigt sich in diesem Punkt aber optimistisch. „Ich würde mir sicherlich eine höhere internationale Breite in der Spitze wünschen. Aber es ist nicht so, dass sich nichts getan hätte. Es gibt 20 bis 25 Nationen, die regelmäßig zu Weltmeisterschaften kommen. Hongkong oder Macau sind inzwischen in der Weltspitze angekommen und haben Medaillen geholt“, sagt er. Doch der Weg dorthin ist lang. „Unsere Sportart ist extrem schwierig zu erlernen, eine neue Nation braucht etwa 20 Jahre, um höchstes Niveau zu erreichen“, erklärt Maute.

Dabei gibt sich der 50-Jährige ähnlich kämpferisch wie als Aktiver auf dem Kunstrad. Fünfmal wurde der gebürtige Tailfinger Weltmeister, erfand den „Maute-Sprung“ vom Sattel auf den Lenker, der als Königsübung gilt. Jetzt hofft er auf viele Nachahmer weltweit. „Mit dem Förderverein Hallenradsport und der Initiative ‚Hallenrad goes Olympia’ haben sich zwei Gruppierungen zusammengeschlossen, um gemeinsam im neuen Verein ’Indoor Cycling Worldwide’ den Hallenradsport weiter zu bringen. Die Kräfte sollen gebündelt werden“, erklärt Maute. Deutsche Trainer leisten Aufbauarbeit in anderen Ländern. Die Initiative finanziert Reisen und Trainingslager. Mit Erfolg. In Asien macht der Hallenradsport Fortschritte, in Europa entdecken ihn immer mehr Länder wieder. Mit Kanada schickt auch ein nordamerikanisches Land Starter zur WM.

Die USA fehlt aber auf der Teilnehmerliste. Dabei könnte ein Hallenrad-Boom dort ein entscheidender Schritt Richtung Olympia sein. „Wir haben Kontakte dorthin, aber es ist schwierig, weil der Sport dort anders organisiert ist“, erklärt Maute. Dabei stammt die Sportart ursprünglich sogar aus den USA. Doch dort ist sie inzwischen vergessen.

Mit zwei neuen Wettkampfformen wollen die Verantwortlichen den internationalen Aufschwung des Hallenradsports unterstützen. 2018 führen sie erstmals, wie im Radball bereits praktiziert, einen Kunstrad-Weltcup durch mit Stationen in Prag, den Niederlanden, Hongkong und dem Finale in Allensbach am Bodensee. Darauf freut sich auch Benedikt Bugner: „Die Fahrer beispielsweise aus Hongkong haben wir bisher nur einmal im Jahr bei der WM gesehen. Jetzt können wir uns häufiger in einem Wettkampf miteinander messen.“ Dazu gibt es 2018 auch erstmals eine Europameisterschaft für Aktive. Ausgetragen wird sie am 1. und 2. Juni in der Wiesbadener Sporthalle am Platz der Deutschen Einheit. Und damit in einer Region, in der der Hallenradsport verwurzelt ist. In und um Wiesbaden sind Hallenrad-Hochburgen. Auch Südhessen zählt hier zu den deutschen Top-Regionen. So wurde Corinna Biethan von der SKV Mörfelden zwischen 2009 und 2014 fünfmal Weltmeisterin im Einer-Kunstradfahren, im Radball gewann seit 2006 der RV Hechtsheim zweimal den WM- und der SV Eberstadt sechsmal den DM-Titel. Rheinhessen stellte allein bei der WM 2016 drei von fünf Kunstrad-Weltmeistern.

Zu diesen gehören auch André und Benedikt Bugner, die in diesem Jahr zur WM aber so starke Konkurrenz wie noch nie in ihrer Laufbahn spüren. Ein weiteres Duo bewegt sich nahezu auf Augenhöhe: Max Hanselmann und Serafin Schefold. Die als Öhringer ebenfalls das deutsche Trikot tragen. Der internationale Aufschwung ist in dieser Disziplin auf höchstem Niveau also noch nicht angekommen. Auch wenn Fahrer aus anderen Ländern aufgeholt haben.