TSG Flonheims Kunstradfahrerinnen deutsche Spitze

Hand in Hand fährt das Quartett der TSG Flonheim bei der Deutschen Meisterschaft in Köln Richtung Platz drei. Foto: Wilfried Schwarz
© Wilfried Schwarz

Ursprünglich wollten die Kunstradsportlerinnen nur in die nationale Spitze. Nun stehen sie an der Schwelle zum internationalen Parkett. Nichts scheint mehr unmöglich.

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FLONHEIM. Am Schlimmsten, das sagen sie später alle, sind die Sekunden des Wartens, die sich in die Ewigkeit ziehen. Wenn man unten, auf dem blauen Parkett, vor der Einfahrt steht. Es kein Zurück mehr gibt. Im Angesicht hunderter stiller Beobachter. Dann bebt das Herz. „Es ist der Moment, auf den man ein Jahr hingearbeitet, für den man so viel Zeit aufgeopfert hat“, erzählt Caroline Strubel (15) mit Nachdruck. Eine Sporthalle mitten in Köln-Porz im Mai. Als die vier Kunstrad-Sportlerinnen in pechschwarzen Leggins ihre Räder besteigen, pumpen die Oberkörper. Synchron müssen sie sein. Ruhig. Und wie ein Uhrwerk funktionieren. „Wenn man einmal auf dem Rad sitzt, dann fährt man durch“, sagt Arzud Mahmud (16).

Mit einem Hauch von Nichts besser als die Konkurrenz

Was das Quartett der TSG Flonheim souverän macht. 160,42 Punkte quetscht es aus seiner Kür, kurz vor Wettkampfende hat es sich abgefunden mit einem respektablen vierten Platz. Immerhin sind es die Deutschen Meisterschaften U19. Die Crème de la Crème der Nation. Bis über die Anzeigetafeln der Halle die Resultate flimmern. Bei seiner fünften DM-Teilnahme springt der TSG-Vierer, komplettiert von Victoria Metz (14) und Lucy Altschäfl (16), aufs Treppchen. Bronze. Mit einem Hauch von Nichts: 0,29 Punkte liegt er, im „stärksten Feld, das es je gab“, so Trainer Thomas Metz (47), vor dem KRS Rebland. Ein Laie würde den Unterschied niemals registrieren. Als ob mitten in der Kür bei einer Fahrerin „kurz zwei Finger wegklappen“ im Balanceakt, so sei das, meint der Flonheimer Coach. Also gar nichts. Tränen fließen. Gegenseitig versacken sie in den Armen. Von der „puren Erleichterung“ spricht Strubel, „das ist die Belohnung für das, was man seinem Körper übers Jahr antut…“

An diesem milden Mai-Abend sitzen die Vier auf Metz‘ Terrasse und rekapitulieren eine Kür, als sei sie ein Alltagsphänomen. Eine grundsolide Vorstellung zelebrierten sie. Und doch, so mutmaßt man, wären gar mehr Punkte auf dem Tableau machbar gewesen – wäre die TSG die Kür gefahren, mit der sie jüngst haarscharf die EM-Qualifikation verpasste.

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Bei der Deutschen in Köln zu defensiv geplant

Eine „Vierer-Mühle mit vier Rechtsschleifen“, ganz ehrfürchtig spricht Metz das aus. „Vielleicht fünf Teams auf der Welt fahren die“, sagt er. Und sein Vierer führte sie sauber aus. Auf der DM hätte sie hochwertigeres Edelmetall bedeuten können – nur war die „leichtere“ Übung gemeldet, bevor die TSG wusste, die „Mühle“ derart ordentlich aufs Parkett zu zaubern.

Hinterher ist man schlauer, heißt es. Die EM verfehlten die Vier übrigens nur, weil sie in den ersten Quali-Runden ebenfalls weniger Punkte einreichten. Den Vortritt ließen sie Dauerrivale Mainz-Ebersheim. Dem Deutschen Meister aus Köln…

Köln ja, Frankreich nein. Gerne wäre die TSG dort angetreten. Der finanzielle Aufwand sei kein Pappenstiel, aber, dank Eltern, möglich. Und trotzdem: Wer zur nationalen Elite zählt, muss auf Sponsoring bauen können – Spitzensportförderung, so nennt das der Fachjargon. In Flonheim ist da noch eine große Lücke.

Sehr viel Talent, aber noch viel mehr Fleiß

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Sein Talent bestätigen muss der Vierer dabei gar nicht. 2015 übernahm Metz, mit der Ansage, man qualifiziere sich für die DM. Das Ticket hat die TSG seitdem im Abonnement gebucht. „Wir trainieren sehr hart. Und wir sind hart zu uns selbst“, schildert Altschäfl. Metz beharrt lachend: „Meiner Meinung nach ist das die beste Mannschaft der Welt. Sie setzt alles tip-top um.“ In Köln stiegen sie ja auch aufs Einrad. Ohne Probe. Einfach mal so, des Juxes wegen. Nach fünf Minuten Einrollen schrammten die Rheinhessinnen um schmale 2,05 Punkte am Podest vorbei. Man machte sich einen Spaß draus. Der Fokus liege eben auf dem Kunstrad – nur dort bietet sich die Chance auf eine Europa- oder Weltmeisterschaft. Das Ziel in dem einen Juniorinnen-Jahr, das bleibt. „Auf dem Einrad wird es irgendwann langweilig, das ist immer dasselbe. Viel schwieriger ist es, das Kunstrad zu kontrollieren“, meint Strubel. „Einrad fahren die nebenbei im Schlaf. Das müssen die nur kurz im Team einüben“, weiß Metz. Die Abfolge, die Chemie. Sowieso ist das in der Kunstrad-Einrad-Sektion das Rezept allen Erfolgs. Wie man sich ergänzt. Harmoniert.

Ab November stehen die Testläufe für die DM 2020 an. „Die Konkurrenz schläft nicht“, sagt Strubel. Sechs Trainingsstunden pro Woche müssen. Für Titel, Glanz und Gloria.